Das Alte Stadttheater(Berggasse 10)
Im August 1646 kamen aus Pontarlier in Burgund, durch Kriegsereignisse zur Auswanderung gezwungen, Nonnen des Ordens der "Augustinerinnen von der Verkündigung Mariens", auch "Annuntiaten und Cölestinerinnen" genannt, über Wien nach Steyr, wo ihnen Kaiserin Eleonora in der Berggasse ein geräumiges Haus gekauft hatte.
Zehn Jahre später erwarb der Orden dazu auch das benachbarte Wolfische Haus.
Im Jahre 1662 ermöglichten Wohltäter den Umbau dieser Liegenschaften zu einem Klostergebäude und 1676 den Bau einer Kirche. Etwa fünfzig Jahre später, im August 1727, fügte der große Stadtbrand auch diesen Bauten schwerste Schäden zu. So brachte er den Turm der Klosterkirche, in dem drei Glocken hingen, zum Einsturz, wobei das Gewölbe bis in die Gruft durchgeschlagen wurde. Der Wiederaufbau von Kloster und Kirche, den Abt Ambros von Garsten und Wohltäter finanzierten, konnte bereits 1727 beendet werden.
Zur Zeit Kaiser Josefs II. (1780-1790) bemühten sich die Klosterfrauen um den Unterricht der weiblichen Jugend, ließen ein Schulhaus erbauen und nahmen die Ordensregel der Ursulinerinnen an. Verschiedene Umstände jedoch bewirkten, dass am 1.Juni 1784 "wegen unzulänglichen Vermögens" die Aufhebung des Klosters erfolgte. Das Schulgebäude übernahm der Normalschulfonds, Kirche und Kloster kaufte der Magistrat der Stadt Steyr um den Schätzungswert von 3500 Gulden.
Im Jahre 1789 wurde die Kirche, deren Hochaltar noch heute in der Pfarrkirche zu Thanstetten (Schiedlberg) zu sehen ist, durch den Einbau der aus dem aufgehobenen Kloster Garsten stammenden Bühneneinrichtung für Theatervorstellungen provisorisch ausgestattet. Am 7. Oktober feierte die Stadt mit einer Festvorstellung den Sieg der Österreicher bei Focsany.
Der eigentliche Umbau zu einem Theater, den Fürst Lamberg tatkräftig förderte, wurde erst 1796 vorgenommen. Die feierliche Eröffnung erfolgte am Namensfest des Fürsten (16. Mai 1796) mit der Aufführung der Oper "Zigeuner" von Neefe.
In der Folgezeit wurde der über 400 Personen fassende Musentempel von der Stadtgemeinde an Theaterdirektoren verpachtet und mehrmals gründlich restauriert.
Ab 1954 gab es im „alten Stadttheater“ regelmäßig Gastspiele des Linzer Landestheaters. Die Saison 1956/57 etwa bot 58 Theaterabende, davon 36 des Linzer Ensembles, wobei insgesamt 18.750 Besucher zu verzeichnen waren.
1958 wurde mit dem Neubau eines größeren Theaters in der ehemaligen Industriehalle begonnen, was die Schließung des Hauses an der Promenade zur Folge hatte. Erst Mitte der 1970er Jahre besann man sich wieder der Qualität des barocken Theaterraumes und beschloss ihn zu revitalisieren. Am 12. Jänner 1978 wurde der Startschuss für die Generalsanierung gegeben, wobei der Eingang von der Berggasse 10 an die Promenade 3 verlegt wurde.
Die Wiedereröffnung des alten Theaters erfolgte im Herbst 1980. Mit 233 Sitz- und 30 Stehplätzen auf der Galerie versehen, wird das Haus seither sowohl von der Kulturverwaltung der Stadt Steyr als auch von externen Veranstaltern bespielt und gemietet. Den Höhepunkt der kulturellen Nutzung bietet das jährlich stattfindende Musikfestival Steyr.
Raimund Ločičnik
Lit.: Altes Theater wieder im Rampenlicht. Amtsblatt der Stadt Steyr: Jg. 23, 1980, Nr. 10. Neuhuber Julia: Das alte Steyrer Stadttheater. Ein Abriss der Steyrer Kulturgeschichte. Dipl. Arbeit, Wien 2004.