Bauten: ehemaliges Stadtschreiberhaus

Das ehemalige Stadtschreiberhaus (Stadtplatz Nr. 29 - Ennskai Nr. 30)

Das ehemalige Stadtschreiberhaus (Stadtplatz Nr. 29 - Ennskai Nr. 30)Das im alten Grundbuch vor 1880 unter "Stadt Nr. 38, am Platz" eingetragene Bauwerk bestand ursprünglich aus zwei gotischen Häusern, die der Handelsmann Georg Straßer von Hans Prandtstetter und Michael Vink erworben hatte. Vermutlich erfolgte die Vereinigung derselben zu einem Hause im Zuge der Neugestaltung des benachbarten Rathauses im Jahre 1538. Im Gebäude Straßers findet sich nämlich an einem Türgewände des Hinterhauses, umsäumt von der Inschrift "Des Herren Wort pleibt in Ebigkhait", die Jahreszahl 1539.

Die im prächtigen Renaissance-Hof befindlichen Arkadengänge sind ausgestattet mit schönen Marmorsäulen. 

Wahrscheinlich stammen diese Bogengänge und auch die anderen beachtenswerten Architekturdetails wie Türgewinde und Stuckrippengewölbe aus der Zeit des Bürgermeisters Daniel Straßer (1579 - 1581), der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts das Haus besaß. Die Leute nannten ihn den "reichen Straßer". Gehörten doch dem Handelsherrn auch das Haus Stadtplatz Nr. 14 und die von Gottfried von Scherffenberg 1578 gekaufte Herrschaft Gleiß in Niederösterreich. Durch die Heirat der Bürgermeistertochter Dorothea Zuvemumb vergrößerte er beträchtlich seinen Reichtum.

Bis in die ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts war das Gebäude, in dem vor 1505 auch eine Hauskapelle vorhanden gewesen sein soll, in den Händen der Familie Straßer.

Um 1635 erwarb das Straßerische Haus die Stadtgemeinde Steyr. Da in demselben der erste Stadtbeamte, nämlich der Stadtschreiber wohnte, wurde es allgemein als "Stadtschreiberhaus" bezeichnet. In der Zeit des Rathausbaues (1765 - 1778) erledigte in demselben der Magistrat durch dreizehn Jahre die Amtsgeschäfte, weshalb es nach Vollendung des neuen Amtsgebäudes "altes Rathaus" genannt wurde. Dies hatte zur Folge, daß es in späterer Zeit als das ursprüngliche, 1413 erstmalig erwähnte Rathaus angesehen wurde. Zur Verbreitung dieser irrigen, gelegentlich noch heute vernehmbaren Ansicht, mag auch Konservator E. Schmidel durch seine Aufsätze über das Rathaus in der "Unterhaltungsbeilage der Linzer Tages- Post" (1906) beigetragen haben.

Zu Anfang des 19. Jahrhunderts bewohnten das Gebäude, welches durch einen Gang mit dem Rathaus verbunden war, drei Magistratsräte. Im Jahre 1813 verkaufte die Stadtgemeinde mit Bewilligung der Landesregierung die Liegenschaft an Lederermeister Lorenz Schwarzott. Nach 1840 besaßen sie die Familien Graßl und Heiser. Heute gehört das Haus, dessen Fassade im vorigen Jahrhundert gestaltet wurde, der Stadtpfarre Steyr.

Dr. Josef Ofner

(Landesarchiv Linz: Archiv der Landesregierung. - Dehio, Oberösterreich, 1958. - E.Krobath, O.Ehler, Bemerkenswerte Bauten der Altstadt Steyrs, 1956, - E.Krobath, Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit, 1959. - E.Schmidel, Aus dem Rathaus der Stadt Steyr, 1906. - I.Krenn, Häuserchronik der Altstadt Steyr, Diss. 1950)

Amtsblatt der Stadt Steyr Nr. 12/1972