Geschichte der Stadt Steyr

Stadtansicht auf einem Müller-Lehrbrief von 1850










Steyr ist eine Stadt mit eigenem Statut und mit 38.029 Einwohnern (2021) die drittgrößte Stadt Oberösterreichs nach Linz und Wels. Steyr hat eine Ausdehnung von 27 Quadratkilometern und liegt 310 Meter über dem Meer am Zusammenfluss von Enns und Steyr.

Nähere Infos zur Erforschung der Steyrer Geschichte finden Sie im Stadtarchiv Steyr.


Frühgeschichte und Antike

Zahlreiche Streufunde zeigen, dass die Gegend um Steyr schon in frühester Zeit besiedelt war, wenn sich auch eine vorgeschichtliche Siedlung im Stadtgebiet nicht nachweisen lässt.

Um 600 v. Chr. wanderten die Kelten ein, die als erste das Eisen des Erzberges abbauten. Der Name Steyr entstammt der keltischen Sprache (Stiria) und bezeichnet den gleichnamigen Fluss.

Vermutlich stand auf dem Felsen über dem Zusammenfluss ein römischer Wachtturm – noch heute heißt der Turm des Schlosses „Römerturm“.


Mittelalter

Aussicht auf Zwischenbrücken und Burg um 1500Im 6. Jahrhundert wurde das Gebiet von bairischen Stämmen besiedelt und gehörte später zum Rodungsbezirk des 777 vom Bayernherzog Tassilo gegründeten Klosters Kremsmünster.

Die „Styraburg“ wird um 986/991 erstmals urkundlich erwähnt und umfasste damals nur eine kleine Siedlungsinsel am Zusammenfluss von Enns und Steyr. Als Erbauer der Burg gelten die Grafen von Wels-Lambach, die großen Eigenbesitz im Traungau hatten und als Markgrafen die Karantanische Mark (Obersteiermark) verwalteten.

Nach dem Aussterben der Wels-Lambacher 1050 traten die aus dem Chiemgau stammenden Otakare deren Erbe an und folgten ihnen außerdem als Markgrafen in der Karantanischen Mark nach. Das Wappentier der Otakare war der weiße Panther. Durch Erbschaften und kluge Heiratspolitik – Otakar II. war mit einer Babenbergerin vermählt – vergrößerten sie ihre Besitzungen in der Steiermark beträchtlich. (Hier lag auch der Erzberg, dessen Abbau von den Otakaren intensiv gefördert wurde.) Die Machtstellung der Otakare zeigte sich in einer prächtigen Hofhaltung. Die Styraburg war nicht nur der Schauplatz ritterlichen Lebens, sondern auch Ort der Pflege edler Künste.

In den beiden mittelhochdeutschen Epen „Biterolf und Dietleib“ sowie „König Laurin“ wird der Burg zu Steyr ein literatrisches Denkmal gesetzt. 1180 wurde Otakar IV., der letzte seines Geschlechtes, von Kaiser Friedrich Barbarossa in den Herzogstand erhoben.

1186 vermachte Otakar IV., krank und kinderlos, per feierlichem Erbvertrag auf dem Georgenberg zu Enns, Burg und Herrschaft Steyr den Babenbergern (Georgenberger Handfeste). Steyr verlor seine Bedeutung als Herzogssitz, die Rolle als Verarbeitungs- und Handelszentrum für das „Innerberger Eisen“ blieb jedoch erhalten.

Das in Innerberg, dem heutigen Eisenerz, geförderte „Schwarze Metall“ nahm schon im frühen Mittelalter seinen Weg durch das Tal der Enns zur Donau und ließ so eine der ältesten Industrielandschaften Europas, die „Eisenwurzen“, entstehen. Begünstigt durch seine einmalige verkehrspolitische Lage und seine Bedeutung als Residenz unter den Otakaren, entwickelte sich Steyr zum wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum dieses frühmittelalterlichen Industriegebietes.Skizze Schloss Steyr 1688 Unter den Babenbergern erfolgte der Aufstieg der Stadt zur Eisenmetropole nördlich der Alpen. Handwerker, vor allem Waffen- und Rüstungsschmiede, hatten am Fuße der Burg Schutz und Lebensraum gefunden. 1170 wird Steyr als „Urbs“, städtische Siedlung, bezeichnet. Nach dem Aussterben der Babenberger 1246 begannen für die Stadt schwere Zeiten.

1254 wurde Steyr als Folge des Friedens von Ofen von der Steiermark und damit von seiner wirtschaftlichen Basis, dem Erzberg, getrennt und zum Lande ob der Enns geschlagen.

Am 23. August 1287 bestätigte Herzog Albrecht I. – inzwischen herrschten die Habsburger – der Stadt die alten Rechte im Handel und in der Verarbeitung des Innerberger Eisens. In diesem „Großen Privileg“, das heute noch im Stadtarchiv Steyr erhalten ist, wurde den Steyrer Bürgern unter anderem das Stapelrecht für Holz und Eisen gewährt. Drei Tage lang mussten diese Rohstoffe den Steyrer Bürgern zu einem bevorzugten Preis angeboten werden, ehe sie ihren Weg zur Donau fortsetzen durften. Das machte Stadt und Bürger reich und versetzte sie in die Lage, bedeutende Künstler aus Deutschland, Böhmen und Italien einzuladen, um zu bauen und Kunstwerke zu schaffen. Handelsbeziehungen Steyrer Eisenhändler mit Deutschland und Osteuropa sind seit 1190 belegt.

Eine besondere Rolle spielte der Handel mit Venedig. Steyr gehörte damals zu jenen neun deutschen Städten, die in Venedig im Fondaco dei Tedeschi (Handelshaus der Deutschen) Handel trieben. Steyrer Eisenwaren stellten auf dem großen Markt Venedig einen begehrten Artikel dar, und das Punzel mit dem Steyrer Panther war damals ein Zeichen für Qualität „Made in Steyr“.

Das rasche Aufblühen der Stadt im 14. Jahrhundert förderte den Zuzug von Handwerkern, hauptsächlich aus Nürnberg. Neben Harnischmachern und Klingenschmieden waren es vor allem Messerer, deren Zunftbrief von 1406 zu den ältesten Österreichs gehört. Die Steyrer Messerer waren tonangebend im gesamten süddeutschen Raum.

Dominikanerkloster und Kirche 1827Mitte des 15. Jahrhunderts erreichte die Stadt ihren wirtschaftlichen Höhepunkt. Steyr war damals neben Wien die wohlhabendste und vornehmste Stadt Österreichs. Die weitreichenden und innigen Handelsbeziehungen Steyrs zu den bedeutendsten Handelszentren Europas machten die Bewohner empfänglich für neue Ideen und Strömungen. Die Lehre Luthers – 1525 vom Barfußmönch Calixt in der Stadt verbreitet – wurde von den Steyrern beifällig aufgenommen. Fast geschlossen traten die Bürger und Handwerker zum neuen Glauben über. Am Beginn der Gegenreformation gab es in der Stadt nur mehr 18 katholische Familien. Steyr erlebte in dieser Zeit eine kulturelle Blüte und gehörte zu jenen wenigen Städten Österreichs, in denen der Meistergesang gepflegt wurde, der erst in den Wirren der Gegenreformation verstummte.


Neuzeit

Im 16. Jahrhundert begannen sich die ersten Anzeichen für den Niedergang des Eisenwesens bemerkbar zu machen. Es mehrten sich damals die Klagen der Handwerker, dass die Eisenhändler den guten Stahl gewinnbringend im Ausland verkauften und dem ansässigen Gewerbe nur zweitklassige Ware übrigblieb. 1583 kam es daher zur Gründung der Eisenhandlungskompanie, die dem unlauteren Handel ein Ende bereiten sollte. Die in sie gesetzten Erwartungen erfüllten sich jedoch nicht.
Der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges, Gegenreformation und der große oberösterreichische Bauernkrieg – zwei seiner Drahtzieher waren Steyrer Bürger – führten zum wirtschaftlichen Niedergang der Stadt.

1626 kam es zur Erhebung der Bauern. Mit 40.000 Bauern kam der Anführer der Aufständischen, Stefan Fadinger, nach Steyr, wo er in Stadtrichter Wolfgang Madlseder und Dr. Lazarus Holzmüller wichtige Verbündete fand.

Nach der Niederschlagung des Aufstandes wurden die Rädelsführer enthauptet und gevierteilt.
Apotheke und Brittingertor ZeichnungDie Einquartierung von Truppen, die dadurch entstehenden Kosten, die katastrophale Wirtschaftslage und der 1625 ergangene Ausweisungsbefehl für Protestanten hatte die Auswanderung von 228 Steyrer Familien zur Folge. Viele sahen ihre einzige Hoffnung in der Emigration. Diese Entwicklung wirkte sich auch fatal auf das Eisenwesen aus. 1620 warteten 300.000 Zentner Stahl in Steyr auf ihre Abnehmer. Um das darniederliegende Eisenwesen zu beleben, kam es 1625 zur Gründung der „Innerberger Hauptgewerkschaft“, der Vereinigung von Radmeistern, Hammerherren und Eisenhändlern zu einem Konzern, aus dem später die Alpine Montangesellschaft hervorgehen sollte. Mit dem Barock erlebte die Stadt nach den Türkenkriegen ein neues Aufblühen.

Der Großhandel mit dem Eisen war zwar versiegt, die Verarbeitung des steirischen Eisens währte aber fort. In dieser Zeit entstanden in Steyr einige interessante Bauten, wie die Michaelerkirche oder die Wallfahrtskirche von Christkindl am Rande der Stadt. In der Josefinischen Zeit, die nicht nur durch die Klosteraufhebungen geprägt wurde, machte sich in Steyr eine wirtschaftliche Aufwärtsbewegung bemerkbar. Durch die Umwandlung von bestehenden Handwerksbetrieben und die Gründung neuer Werkstätten wurde der Grundstein für die spätere Industriealisierung der Stadt gelegt.


Am 29. August 1727 wurde Steyr von einer verheerenden Feuersbrunst heimgesucht, die nicht nur große Teile der Altstadt, sondern auch die Styraburg mit ihren Giebeln, Türmen und Erkern vernichtete. Aus den Trümmern der mittelalterlichen Burg entstand das barocke Schloss Lamberg.

Aussicht auf Zwischenbrücken und Schloss Lamberg 1880In der Zeit der Franzosenkriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die günstige Entwicklung der Steyrer Wirtschaft jäh unterbrochen. Innerhalb von zehn Jahren wurde Steyr dreimal von den Franzosen besetzt: 1800, 1805 und 1809.
Die Wiege der Steyrer Großindustrie lag an dem im Mittelalter angelegten System von Flußläufen im Mündungsgebiet der Steyr, dem Wehrgraben. Im 18. Jahrhundert begannen hier ansässige bürgerliche Meister mit der Erzeugung von Säbeln, Bajonetten und Gewehrbestandteilen.


Industrialisierung und Mobilität

Ab dem Ende des Poster Elektrische Landes- Industrie- Forst- und kulturhistorische Ausstellung der Stadt Steyr18. Jahrhunderts kam es zu gravierenden Veränderungen im Handwerk und im Handel. Immer deutlicher wurde die von England ausgehende Industrialisierung auch in Steyr spürbar. So entstand aus den vier Rohrhämmern in Unterhimmel 1786 eine Gewehrfabrik. Im gleichen Jahr erwarben Daniel Pellet und Anton Schaitter das Dominikanerkloster, in dem sie eine Manchester-Baumwollsamtfabrik einrichteten. Ihre Waren wurden nahezu in alle Kronländer der Monarchie geliefert. Im Stadtteil Pyrach errichteten die Brüder Reithoffer eine riesige Gummifabrik, aus der später die Semperitwerke in Traiskirchen hervorgingen.

Von den Fabrikbetrieben, die im 19. Jahrhundert entstanden, ist jene von Leopold Werndl wohl die bedeutendste. Ab 1830 erzeugte Leopold Werndl in seinem Werk mit 450 Arbeitern in Letten bei Steyr Gewehrbestandteile und Bajonette. Seine Söhne Josef und Franz erweiterten 1864 die Firma beträchtlich und übersiedelten mit ihr nach Steyr.

Sohn Josef Werndl gelang der große Schritt vom einfachen Unternehmer zum Großindustriellen. In wenigen Jahren baute er die Fabrik seines Vaters zu einer der größten und modernsten Waffenfabriken der Welt aus. Gemeinsam mit seinem Werkmeister Karl Holub entwickelte Josef Werndl dort ein modernes Hinterladergewehr, welches in kürzester Zeit Weltruf erlangte.
In der Blüte des Unternehmens mit dem Namen „Steyrer Waffenfabriksgesellschaft“ fanden um 1890 mehr als 10.000 Arbeiter*innen Beschäftigung. Maßgeblich beteiligt war Josef Werndl auch an der Finanzierung einer Bahnverbindung von St. Valentin ins Ennstal, die 1870  als „Kronprinz Rudolf-Bahn“ fertig gestellt wurde.

1884 hatte Steyr als erste Stadt auf dem Ennskai circa 1900Kontinent eine Straßenbeleuchtung mit elektrischem Strom aus Wasserkraft – wenn auch nur vorübergehend anlässlich der Elektrischen Ausstellung.

Der Erste Weltkrieg brachte viele Entbehrungen für die Stadt. Die Zeit zwischen den Kriegen war von Wirtschaftskrisen, Arbeitslosigkeit, Geldentwertung, Lebensmittelmangel und Epidemien gekennzeichnet. 1933 war Steyr die ärmste Stadt der jungen Republik Österreich. Ein Jahr später war die Stadt Schauplatz der erbitterten „Februar-Kämpfe“ zwischen der Heimwehr und dem Schutzbund im Österreichischen Bürgerkrieg.


Zweiter Weltkrieg und Wiederaufbau

Im Zweiter Weltkrieg erlitt Steyr als Industriestandort und somit als strategisches Bomberziel schwere Zerstörungen und Verluste: Beim ersten Luftangriff am 23. Februar 1944 starben 15 Personen, weitere 55 wurden verletzt. Beim zweiten Angriff am 24. Februar starben 212 Menschen, 371 wurden verletzt. Knapp 1.000 Bomben wurden insgesamt auf Steyr abgeworfen. 112 Gebäude wurden dabei vernichtet und an die 400 schwer beschädigt.
Veranda Gasthaus Kirche OrtskaiIm Mai 1945 zogen die Siegermächte in Steyr ein, am 5. Mai die Amerikaner und am 9. Mai folgten die Russen aus dem Osten. Durch die zahlreichen Flüchtlinge und Soldaten stieg im Mai 1945 die Bevölkerungszahl auf 103.000 an. Die Probleme der Stadtverwaltung nach dem Weltkrieg waren vor allem die Beseitigung der Bombenschäden sowie die Wiederherstellung und Verbesserung der Infrastruktur.
In der langen Steyrer Stadtgeschichte gibt es keinen Zeitabschnitt, der eine so umfangreiche Neugestaltung aufweisen konnte wie dieser.


Steyr in jüngster Vergangenheit

Steyrwerke im Bau um 19131972 bis 1978 kam es zu einer erbitterten Auseinandersetzung einer Bürgerinitiative mit der Steyrer Kommunalverwaltung wegen der Erhaltung des historischen Wehrgrabens. Während die Bürgerinitiative die denkmalgerechte Erhaltung des historischen Stadtteiles forderte, plante die Stadt Steyr, sowohl die Gerinne zuzuschütten als auch zahlreiche bauliche Umgestaltungen vorzunehmen. Der Streit endete nicht zuletzt durch die engagierte Unterstützung des Steyrer Kunstprofessors Heribert Mader und zahlreicher Medien mit einem Sieg für die Erhalter des Stadtteiles.

1979 erfolgte der Baubeginn des BMW-Motorenwerkes, welches seither zum größten Betrieb in Steyr avancierte. Ab 1988 beginnt die Zerteilung und der Verkauf der Steyr-Daimler-Puch AG – das Nachfolgeunternehmen der Josef Werndlschen Waffenfabrik. Den Beginn machte der schwedische SKF-Konzern, der das angeschlagene Steyrer Wälzlagerwerk übernahm. 1989 stimmte der Aufsichtsrat von Steyr-Daimler-Puch dem Verkauf des LKW-Werkes an den deutschen Konzern MAN zu. Auch die deutsche Zahnradfabrik (ZF) und der Magna-Konzern von Frank Stronach kauften sich in Steyr ein.Aussicht Stadtplatz Steyr Parkplatz mit Autos und Fahrspuren

Die Erhaltung der wunderschönen Altstadt ist den umfangreichen Aktivitäten der kommunalen Denkmalpflege zu verdanken. Diese ist bestrebt, den historischen Stadtkern so authentisch wie möglich zu erhalten.

Mit der Ansiedlung einer Fachhochschule und zahlreicher innovativer Forschungs- und Ausbildungsprojekte präsentiert sich Steyr heute als selbstbewusste, traditionsreiche, aber ebenso moderne und innovative Stadt am Rande des oberösterreichischen Zentralraumes.


Weitere Informationen zur Geschichte Steyrs:

  • Archivdatenbank des Stadtarchivs Steyr, URL: https://sais.steyr.gv.at/ (06.04.2023)
  • Manfred Brandl, Neue Geschichte von Steyr. Vom Biedermeier bis heute, Steyr 1980.
  • Raimund Locicnik, Steyr historisch. Daten, Fakten, Bilder (985–2000), 2. Auflage, Steyr 2006.
  • Josef Ofner, Steyr. Kurzer geschichtlicher und kultureller Überblick, 2. Auflage, Steyr 1980.
  • Kurt Rossacher, Beiträge zur Geschichte der Stadt Steyr und ihrer Umgebung, URL: http://steyr.dahoam.net/ (18.10.2021).